Manche trans Personen stecken gedanklich so sehr in dem binären System aus Mann und Frau fest, dass sie sich nicht vorstellen können, dass sich jemand nicht eindeutig männlich oder weiblich fühlt. Dieses Unverständnis führt dazu, dass sie probieren einen zu einer Entscheidung zu drängen.

 

 

Mein Leben lässt sich in drei Phasen einteilen: Meine geschlechtsneutrale bis männlich geprägte Kindheit, die Pubertät mit der versuchten Anpassung ans weibliche Rollenbild und nun die Trans-Phase, in der ich endlich so sein kann wie ich mich fühle.

 

 

 

Als schwuler trans Mann ist es nicht leicht. Da ich keinen Penis habe, werde ich oftmals abgelehnt, was ich aber akzeptieren kann. Andererseits treten häufiger angebliche heterosexuelle Männer an mich heran.

 

 

 

Ich mag Animes und Mangas und bin großer Japan-Fan. Im Studium möchte ich ein Auslandssemester einlegen und endlich für ein Jahr nach Japan gehen.

 

 

 

Ich wurde damals zweimal auf offener Straße von fremden Männern begrapscht. Heutzutage brauche ich keine Angst mehr davor haben.

 

 

JULIAN

– 24/03/2018 –



In dem Kinderheim, in dem ich aufwuchs, hatte jedes Kind einen zuständigen Betreuer. Meine Erzieherin hat von mir immer sehr viel erwartet, unter anderem, dass ich Mädchenkleidung trug. Was für sie normal war, war für mich sehr unangenehm.

Meine Transidentität hätte schon während meiner J1-Untersuchung auffallen müssen. Dort äußerte ich den Wunsch, lieber ein Junge zu sein. Da sich aber niemand mit dem Thema auskannte, ging man nicht weiter darauf ein.

Vielleicht habe ich letztlich aber auch meine weibliche Phase gebraucht, um zu merken, dass es für mich nicht funktioniert.

Schon als Kind war mir bewusst, dass etwas anders ist, was ich aber nie wirklich kommunizieren konnte. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wenn Kinder das schon in jungen Jahren mitteilen können. Ich konnte lediglich sagen, dass ich lieber ein Junge wäre, auch wenn ich heute weiß, dass die Formulierung falsch ist, denn schließlich bin ich einer.

Für mich war das damals aber meistens noch kein allzu großes Drama, auch wenn ich oft gefragt wurde, ob ich ein Junge oder Mädchen sei, da es optisch nicht immer eindeutig war.

Richtig bewusst ist es mir erst mit 18 Jahren geworden. In und nach der Pubertät probierte ich zunächst als Frau zu leben, eben auch um nicht gemobbt zu werden. Irgendwann stellte ich aber fest, dass es für mich nicht funktioniert, dass ich mich so nicht richtig entfalten konnte. Mit 18 Jahren habe ich mir dann ausgiebig Gedanken gemacht, die Anzeichen der Vergangenheit betrachtet und mich gefragt, was ich will und dann letztlich beschlossen, dass ich als Mann leben möchte.

Am Tag vor meinem 19. Geburtstag ging es dann los! Mein erstes Ziel war es, so männlich wie möglich zu sein. Ich ließ mir meine Haare kurz schneiden, habe direkt aufgehört mich zu schminken und kaufte mir neue Kleidung, auch wenn die meisten meiner Sachen eh relativ geschlechtsneutral waren. Mir war wichtig, dass andere Menschen mich sofort als männlich lesen. Das hat nicht immer funktioniert, da ich ein Mädchengesicht habe, aber dieses übertrieben männliche Aussehen war für mich wichtig, es war eine Art Rechtfertigung.

Am schlimmsten ist für alle immer das erste Outing, egal vor wem.

Bei mir verlief es zwar immer relativ gut, aber ich hatte trotzdem tierischen Schiss davor, gerade auf der Arbeit. Die Angst, weiterhin auf die Frauentoilette gehen zu müssen und dass mein Name erst nach einem rechtskräftigen Beschluss angepasst werden könnte, waren aber unbegründet. Lediglich beim telefonischen Kundenkontakt habe ich mich noch bis zum Stimmbruch als Frau vorgestellt.

Der kam dann durch die Hormontherapie. Meine Stimme wurde tiefer und die Körperbehaarung nahm zu. Lustigerweise gelten diese Auswirkungen als Nebenwirkungen, auch wenn sie erwünscht sind. Die Veränderungen, gerade durch die Hormontherapie, mag ich.

Seitdem ich Testosteron nehme, weine ich so gut wie gar nicht mehr, was beinahe schon etwas gruselig ist. Schon früher habe ich nicht gerne Gefühle gezeigt, war aber hormonell bedingt nah am Wasser gebaut und fing bei jeder Kleinigkeit an zu heulen. Jetzt ist es ein wenig so, als hätte sich ein Schleier über die eigenen Gefühle gelegt.

Insgesamt habe ich mich stark verändert. Ich wurde selbstbewusster und habe aufgehört Dinge zu tun, die ich allein deshalb tat, weil man es so von mir als Mädchen erwartete. Ich brauchte fortan nicht mehr diese Rechtfertigung, da ich meine Männlichkeit nicht mehr beweisen musste. Seitdem kann ich auch wieder weiblichere Züge zulassen.

Die Hormone muss ich mein Leben lang einnehmen, da mein Körper die gegengeschlechtlichen Hormone nicht selbst produziert. Aber natürlich bin ich nun auch anfälliger für testosteronbedingte Krankheiten. Würde ich die Hormone absetzen, dann würde mein Körper wieder verstärkt Östrogen produzieren, da ich noch meine Eierstöcke habe. Momentan ist mein weiblicher Hormonhaushalt durch einen Blocker stillgelegt.

Vom Tag, an dem ich mir bewusst war trans zu sein, bis zur Namensänderung hat es drei Jahre gedauert. Wichtig war mir einen Namen zu wählen, den mir meine Eltern gegeben hätten. Da ich sie nicht fragen konnte – meine Mutter ist abgehauen, als ich neun Jahre alt war, und zu meinem Vater habe ich ungern Kontakt – habe ich meinen Geburtsnamen angepasst.

Als betroffene Person finde ich die großen Hürden der Namens- und Personenstandsänderung mit Gutachterzwang unnötig. Ich weiß, dass ich trans bin. Andererseits kann ich auch verstehen, dass das Gericht eine Grundlage zur Entscheidungsfindung braucht, gerade auch um psychische Krankheiten wie Schizophrenie auszuschließen und Identitätsverschleierung zu vermeiden. In anderen Ländern kann man jedoch einfach zum Amt gehen und den Namen und Personenstand ohne solch großen Aufwand ändern und die Länder existieren trotzdem noch.

Fast jeder trans Mann lässt die Mastektomie, also die Entfernung der weiblichen Brust, durchführen. Bei den geschlechtsangleichenden Operationen unterscheiden sich die Meinungen. Viele lassen sich die Eierstöcke entfernen, um ein erhöhtes Krebsrisiko auszuschließen. Das werde ich wohl auch noch machen lassen. Dabei wird oftmals die Gebärmutter mitentfernt, ich bin mir aber unsicher diesbezüglich. Häufiger habe ich gehört, dass dann Probleme mit der Harnröhre auftreten.

Da ich kein Problem mit vaginalem Sex habe, werde ich keinen Penis-Aufbau vornehmen lassen. Vielleicht jedoch den Klitpen, bei dem die Harnröhre mit der Klitoris verbunden wird und man so mit etwas Glück im Stehen pinkeln kann. Ansonsten ist meine Klitoris für mich Penis genug.

Was es für mich bedeutet Mann zu sein, kann ich gar nicht genau definieren. Es ist mir scheißegal ob andere meinen, ein Mann müsse stark sein oder dürfe keine Gefühle zeigen. Jeder kann ein Mann sein, wenn er sich so definiert – unabhängig des biologischen Geschlechts oder sonstiger Merkmale. Mann ist der, der diese Rolle für sich annimmt.

Geschlecht ist auch nur ein Merkmal wie die Größe oder Augenfarbe.

Manchmal wundert es mich, dass Menschen die Trans-Begrifflichkeiten ganz unterschiedlich definieren. ‚Transsexuell‘ heißt für mich, dass jemand von seinem biologischen Geschlecht abweicht, ‚transgender‘ oder ‚transident‘ ist jemand, der von der Geschlechtsrolle abweicht, unabhängig des biologischen Geschlechts. Ich bezeichne mich eher als transgender, da ich kein Problem mit meinem weiblichen Körper habe, sondern die Geschlechtsrolle als Frau ablehne. Vom Gericht werden alle unter dem Begriff ‚Transsexualismus‘ erfasst.

Trans Männer, gerade wenn sie heterosexuell sind, überziehen häufig ihre Rolle im typisch männlichen Auftreten und bedienen so wieder die Klischees. Viele von uns sind klein, so wie ich mit 1,63m, und wären gerne größer. Es gibt vor allem trans Frauen, die andere trans Frauen kritisieren zu wenig weiblich zu sein, auszusehen oder zu wenig weibliche Interessen zu haben. Viele, die ihren Weg beendet haben, verschweigen ihre Transidentität.

Mir würde es schon reichen, wenn man sich nicht gegenseitig auf den Sack geht und man so leben kann, wie man will, ohne jemand anderem dadurch zu schaden oder selber Schaden durch andere zu erleiden.

Im Nachhinein, ich war schon lange raus aus dem Heim, habe ich mich bei zwei Erzieherinnen geoutet. Sie haben es gut aufgenommen und so etwas über das Thema gelernt. Tatsächlich hatte eine der beiden daraufhin einen Schützling angesprochen, weil ihr Parallelen zwischen ihm und mir aufgefallen waren. Es hatte sich dann herausgestellt, dass er sich wirklich unwohl in seinem Körper fühlt. Sie konnte durch die Erfahrung mit mir ganz anders reagieren, das fand ich cool.

Aber nicht alle sind so lernfähig. Als ich vor zwei Jahren zu Besuch im Heim war, fragte der Heimleiter mich, nachdem ich von meinem Vorhaben Medieninformatik zu studieren erzählte, ob ich das tue, weil ich jetzt ein Mann bin.

In meinem Freundeskreis wissen alle über mich Bescheid. Am Anfang des Studiums versuchte ich noch es geheim zu halten, mit der Zeit und den Gesprächen hatte es sich dann aber meistens ergeben, dass ich es doch erzählte. Zu der Zeit hatte ich auch meine Mastektomie und einige Freunde besuchten mich im Krankenhaus.

Auf meiner jetzigen Arbeit bin ich ungeoutet – das erste Mal, dass ich irgendwo arbeite, ohne dass es jemand weiß. Vielleicht würden sie anders mit mir reden und umgehen, wenn sie es wüssten. Davor hätte ich Angst.

Generell habe ich den Eindruck, dass Frauen toleranter als Männer sind. Mir fällt es immer leichter mich vor Frauen zu outen, vielleicht weil ich eine Zeit lang selber als Frau gelebt habe und so die Barriere geringer ist. Bei Männern habe ich oftmals die Angst, dass sie mich danach nicht mehr als vollwertigen Mann betrachten und ihnen das falsche Pronomen rausrutschen könnte.

So fühle ich mich manchmal ein wenig undercover, wenn ich nur unter Männern bin. Die Gespräche sind teilweise ziemlich sexistisch, da bin ich nach wie vor immer noch sehr zurückhaltend, was aber auch an meiner Sexualität liegen kann, dass ich bei Gesprächen über Frauen nicht viel sage.

Zurzeit befinde ich mich in einer offenen Beziehung und habe dementsprechend ab und zu ein Date. In meinem Onlineprofil steht geschrieben, dass ich trans bin und ich checke beim Schreiben ab, ob derjenige es wirklich gelesen und verstanden hat.

Es lässt sich nicht verheimlichen, wenn man jemandem näherkommt.

Seit der Mastektomie ist Schwimmengehen auch kein Problem mehr für mich, da ich auch so gut wie keine Narben habe, fällt es kaum auf. Vor kurzem habe ich erstmals die Männerdusche benutzt, das war schon ein bisschen anders. Ich hatte ein bisschen Bammel, dass jemand in der Dusche wegen meines Mädchengesichts irritiert sein könnte, aber bisher gab es dort noch keine Probleme.

Als ich aber letztens unterwegs war und beim Eingang an der Security vorbeimusste, die Leute geschlechtergetrennt abtasteten, hatte ich das Gefühl, dass der Security-Mann mich ein bisschen irritiert anschaute. Ich habe dann extra schnell etwas zu meinem Kumpel gesagt, damit meine tiefe Stimme mich eindeutig als Mann identifiziert.

Die eine rosige Zukunftsvision habe ich nicht, ich würde gerne verschiedene Dinge ausprobieren. Vielleicht mal in einer sehr großen WG Leben oder gar selber eine gründen, vielleicht arbeitstechnisch doch in den sozialen Bereich gehen und selber Jugendlichen helfen, die von Zuhause verstoßen wurden, vielleicht auch einfach nur einen Job haben, bei dem ich mich nicht zu Tode langweile.

Auf jeden Fall bin ich jetzt zufriedener mit meinem Leben als vorher. Es könnte besser sein, aber das wird es mit der Zeit eh. Einfach nicht aufgeben!


 

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