Eine Person, die ich kennengelernt habe, hat die Angleichung später bereut. Ich begegnete ihr erst danach und es hieß, man habe sie dazu gezwungen. Das kann nicht sein. Überall wird man gefragt, man muss verschiedene Dokumente ausfüllen und unterschreiben und gerade bei den Operationen wird mehrmals nachgefragt, ob man das auch wirklich möchte. Es besteht immer die Möglichkeit sich dagegen zu entscheiden. Einzig ausschließen kann ich nicht, dass man sich selber falsch gesehen hat und andere Erwartungen hatte.

 

 

So wie mir damals geholfen wurde, so wollte ich auch anderen helfen. Es entstand TransBekannt. Wir probieren Ängste abzubauen und sind auch für Familie, Freunde und Arbeitskollegen da.

 

 

 

Vor fast fünf Jahren bin ich aus Gründen von Mobbing vorzeitig in Rente gegangen. Es hat mich krank gemacht und ich wollte nicht erneut in der Psychiatrie landen.

 

 

 

Es gibt Menschen, die denken, es sei eine Art Fetisch, wir seien irre, krank im Kopf oder gar Kinderschänder. Man müsse Abstand halten, weil wir ansteckend seien. Dass man uns mit Strom und Medikation ruhigstellen sollte.

 

 

 

Frausein ist mein größtes Glück! Ich kann endlich leben, wie ich möchte, wenn auch mit gesundheitlichen Einschränkungen am Fuß durch einen Arbeitsunfall.

 

 

 

Man muss Schritt für Schritt gehen und kann nicht von jetzt auf gleich sagen, dass man eine Frau ist. Dazu braucht man auch das Selbstbewusstsein und die innere Einstellung. Die ist bei mir nach 13 Jahren glänzend!

 

 

MANDY

– 12/04/2018 –



Ende der Fünfzigerjahre, ich war fünf Jahre alt, merkte ich, dass ich anders bin. Das wurde immer mehr, immer stärker habe ich mich zu den Mädchen hingezogen gefühlt und keinen Anschluss bei den Jungs gefunden.

Mit 15 oder 16 Jahren, als ich in der Lehre war, habe ich versucht mit meinen Eltern zu reden, habe ihnen erzählt, dass ich irgendwie anders bin. Mein Vater meinte nur, dass wenn es so sei, dann schlägt er mich tot. Gefolgt vom berühmten Satz: „Was sollen die Nachbarn von uns denken?“. Danach habe ich nie wieder mit meinen Eltern darüber gesprochen. Später fand ich heraus, dass mein Vater dachte ich sei schwul, was damals noch strafbar war.

Mit 53 Jahren bin ich dann meinen Weg gegangen. Durch das Internet hatte ich eine Selbsthilfegruppe gefunden, die mir sehr geholfen hat. Ein paar Tage später hatte ich bereits einen Termin beim Therapeuten.

Die ganzen Jahrzehnte litt ich unter einem Leidensdruck, bis dieser so stark wurde, dass ich meiner damaligen Freundin davon erzählte, in einem elfseitigen Brief. Nach den ersten Zeilen ging das Gewitter los, ein paar Tage später musste ich ausziehen. Sie erzählte es meinen Freunden und Bekannten, ich wurde zur Außenseiterin. Kurze Zeit später fing das Mobbing auf der Arbeit an, was mich krank machte.

Damals ging ich nicht sofort zur Polizei, heute ist die Frist lange abgelaufen. Dabei ist es so wichtig, Diskriminierung zur Anzeige zu bringen, auch wenn es viel Kraft kostet. Es darf nicht alles ungestraft bleiben und die Täter dürfen nicht davonkommen, sonst ändert sich nichts.

Es ist nicht immer einfach bei der Polizei. Manche kennen das AGG, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, nicht und behaupten, dass etwas nicht anzeigewürdig sei. Ich lege es ihnen dann vor und hoffe, dass es sich herumspricht.

Im Jahr 2016 rief man mir auf offener Straße zu, dass ich eine geile Sau wäre. Die Polizei, die ich rief, kam dann eine Stunde später. Man nahm meine Anzeige auf und es kam 2017 zur Gerichtsverhandlung und die Person wurde verwarnt und ist nun aktenkundig. Beim nächsten Mal wird es wohl keine Verwarnung mehr, sondern eine Strafe geben.

Die trans Männer gehen meistens leichter durch die Gegend, da sie nicht so schnell erkannt werden. Wir trans Frauen werden, wie ich, unter anderem durch eine Größe von 1,90m sichtbar. Wir werden angepöbelt, beleidigt und manchmal auch geschlagen.

Wir gelten nicht als typisch Frau – aber was ist schon typisch?

Die Gesellschaft stellt Erwartungen an einen ohne sich Gedanken darüber zu machen. Niemand fragt die freundliche Nachbarin, ob sie sich wie eine typische Frau bewegt. Von uns erwartet man das. Dabei sollte doch jeder für sich selber entscheiden können und dürfen, ohne deswegen gesellschaftlich kritisiert zu werden.

Mir wird immer wieder gesagt, was ich machen soll, um weiblicher zu wirken. Ich höre oft den Spruch, dass ich gar nicht aussehe wie eine Frau oder werde gefragt, ob ich ein Mann oder eine Frau bin. Bei mir hat es auch viel damit zu tun, dass ich meinen Weg erst sehr spät ging.

Ein Mädchen hat Jahre lang Zeit sich zu entwickeln. Viele Erwartungshaltungen werden anerzogen, so wie bei Jungen auch. Sie haben Jahrzehnte Zeit, ihre Identität in der Gesellschaft klarzustellen. Doch wir müssen uns innerhalb kürzester Zeit, mit Glück ein paar Jahre, finden und perfekt werden. Das funktioniert nicht, gerade, wenn man dann nicht den allgemeinen Rollenklischees entspricht. Als trans Frau kann man auch unter dem Wagen liegen und Autos reparieren, nur oftmals wird man dann nicht mehr als Frau betrachtet. Wir benötigen ein gesellschaftliches Umdenken.

Seitdem ich fünf bin, habe ich erkannt, dass ich anders bin, dass ich kein Junge bin und habe dieses Gefühl über Jahrzehnte hinweg gehabt. Ich selber weiß doch am besten, dass mein Körper falsch zu meinem Inneren ist. Ich bin eine Frau, das weiß ich.

Für mich passt der Begriff ‚Transsexualität‘ nicht, da er meistens so interpretiert wird, dass es sich um eine sexuelle Orientierung handelt. Es geht aber um meine Identität, um mein Inneres. Insofern sehe ich mich als transidente Person.

Auch viele Therapeuten sind immer noch schlecht informiert und haben eine falsche Wahrnehmung.

Auf vielen Anamnese-Bögen wird man nach dem Sexleben gefragt.

Ob man von oben oder unten, von der Seite, alleine oder mit mehreren Sex hat. Auf einem Fragebogen gab es einen vierseitigen Abschnitt über das Sexualleben der eigenen Eltern. Das geht gar nicht.

Eine der wenigen Personen, die schon früh wussten, dass ich anders bin, war eine gute Freundin namens Mandy. Sie wusste, dass ich gerne eine Frau wäre und ich fragte sie, sollte ich diesen Weg irgendwann mal gehen, ob ich ihren Namen benutzen darf. Das freute sie. Für mich habe ich seitdem den Namen verinnerlicht, auch wenn ich ihn erst 2005 im Privatbereich und 2007 im Berufsleben nach außen getragen habe. Allein auf meinem Führerschein ist noch mein alter Name, da der graue Lappen bis an mein Lebensende gültig ist.

Im März 2007 hatte ich die Namensänderung durch und ein paar Tage später beantragte ich stolz meinen neuen Ausweis. Damals gab es noch Steuerkarten, die neue bekam ich im Herbst. Leider stand dort ‚Herr‘ drauf. Beim Bürgeramt meinte man zu mir, dass sie das im System nicht ändern können, ich bestand jedoch auf die Änderung. Die Karte wurde einbehalten, ein paar Wochen später kam dann die neue, wieder mit ‚Herr‘. Erneut sagte man mir, dass eine Änderung nicht möglich sei.

Damals hatte ich die Personenstandsänderung noch nicht durch. Erst seit 2011 kann man diese beantragen, ohne vorher angleichende Operationen vornehmen lassen zu müssen. So hatte ich erst 2008 meine Personenstandsänderung.

Trotzdem habe ich dann die Stadt darauf hingewiesen, dass es keinen Mann namens Mandy gäbe und dementsprechend das ‚Herr‘ zu ‚Frau‘ geändert werden oder man die Anrede komplett entfernen soll. Erst nachdem ich drei oder viermal dort auftauchte, Gespräche mit Abteilungsleitern führte und androhte, beim Oberbürgermeister persönlich vorbeizugehen, änderte man es.

Die Wahl der Klinik und des Arztes für die Operationen ist entscheidend. Man sollte Beratungsgespräche führen und sich informieren. Ich hatte sofort Vertrauen zu meinem Arzt und das Gespräch lief gut, er betonte immer, dass man sich informieren soll, Fragen stellen muss, aber sich nicht dazu verpflichtet fühlen sollte auch dort die Operation machen zu müssen. 2008 war ich dann mit allen Operationen fertig, zum Glück ohne Probleme, große Schmerzen oder negative Folgen.

Vorher hatte ich wenig Bindung zu meinem Körper. Den Schrittbereich versuchte ich auszublenden, er gehörte nicht zu mir. Das ein oder andere Mal versuchte ich Suizid zu begehen, was Gott sei Dank nicht klappte.

Inzwischen bin ich zufrieden, gestalte mein Leben wie ich will und habe nur Menschen um mich, mit denen ich mich verstehe. Ich fühle mich fertig, auch wenn ich den Rest meines Lebens nun mal eine trans Frau bin, Hormone nehmen muss und zu Vorsorgeuntersuchungen gehe. Nur wäre ich gerne schon in den 1950er oder 1960er Jahren diesen Schritt gegangen, doch da gab es diese Hilfe noch nicht.

Heutzutage ist es deutlich einfacher. Es hat sich viel gebessert und immer mehr Menschen outen sich und es gibt viele Gruppen und Vereine, die einen unterstützen. Das macht Mut.

Man hat mehr Möglichkeiten, auch wenn man immer wieder auf Widerstand stößt und so getan wird, als wäre vieles nicht machbar. Sei es die Krankenkassenkarte, die Bankkarte oder das Schülerticket, die man alle auf den neuen Namen ändern kann. Das hilft gegen Zwangsoutings.

Wenn ich im Warteraum einer Arztpraxis zwangsgeoutet werde, bekommen es immer Menschen mit. Bei mehreren Arztbesuchen vervielfältigt sich die Zahl rasant. Zur Not hat man immer die Möglichkeit des Ergänzungsausweises der dgti, der in über 50 Ländern akzeptiert wird und in Verbindung mit dem Personalausweis gültig ist. Dafür braucht man lediglich ein Begleitschreiben des betreuenden Arztes.

Wenn jeder das Richtige über das Transsein wüsste, würde ein Umdenken stattfinden. Es würde reichen, wenn man jeden Menschen so akzeptiert, wie er ist. Über Probleme lässt sich reden, sie lassen sich durch reden lösen. Insofern müssen wir mehr aufklären, egal ob auf dem CSD, bei städtischen Veranstaltungen oder im Rathaus.

2006 haben wir bei TransBekannt mit Gruppenabenden angefangen, waren mit Infoständen auf dem Hagener CSD und machten uns 2007 auch in Dortmund breit. 2008 erstmals auf dem Dortmunder CSD mit eigenem Infostand, der circa 60 mal 80 Zentimeter groß war. Wir hatten noch keinen Pavillon, lernten aber viele nette Menschen kennen. Auf dem Weihnachtsmarkt sammelten wir für die Aidshilfe, 2009 initiierten wir das Beratungstelefon. Von ursprünglich zwei Stunden alle 14 Tage sind wir inzwischen fast rund um die Uhr erreichbar. 2015 hatten wir über 1000 Anrufe, 2016 knapp drunter, 2017 waren es dann 1350. Viele Anrufe kommen aus ganz Deutschland. Manchmal reicht es dann schon, bei den betreffenden Krankenkassen anzurufen oder passende Therapeuten zu empfehlen.

In 12 Jahren habe ich weit über 1000 Menschen weiterhelfen können.

Heute stehen wir mit Pavillon, Tischen und Bänken auf dem CSD. Wir sind seit 2014 ein eingetragener gemeinnütziger Verein und haben die weiße Schleife aus Duisburg für unsere Arbeit verliehen bekommen. Die offene Kontaktstelle ist zweimal die Woche. Gerne hätten wir eigene Räumlichkeiten, doch das können wir bislang nicht finanzieren. Insofern helfen wir weiterhin vor Ort, machen Öffentlichkeitsarbeit und informieren. Seien es Projektwochen in Schulen oder auch ein Infoblatt über Transidentität und Berufswelt in Kooperation mit der Stadt Dortmund.

Man darf nicht vergessen, wir machen das alle nur ehrenamtlich. Es kostet viel Zeit, gerade wenn man selber noch im Berufsleben steht. Aber es ist notwendig, auch wenn es manchmal frustrierend ist. Doch solange Menschen immer noch zu uns kommen und wir weiterhelfen können, werden wir auch weiterarbeiten. Es kommt auf jeden Einzelnen an: Es reicht schon zu helfen, wenn man Diskriminierung sieht, egal welcher Art.


 

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Verlauf einer Strafanzeige

 

Transgender-Tag, März 2016